Emojis und Kinder: Chancen und Risiken der digitalen Piktogramme

Kaum eine Online-Konversation kommt ohne sie aus: Emojis. Und nicht nur dort: Selbsternannte Emoji-Artists haben es auf sich genommen, Literaturklassiker wie ‚Moby Dick’ in Piktogrammsprache zu übersetzen. Dabei provozieren sie bei Menschen unterschiedlicher Altersgruppen diametral gegensätzliche Reaktionen – während ein Großteil der Instagram-, Snapchat- und Facebook-Nutzer auf die winzigen Bildchen schwört, weil sie einer digitalen Konversation das geben, was Körpersprache und Mimik hier nicht ausdrücken können, fürchten gerade ältere Menschen, dass der eigene Wortschatz unter deren Gebrauch leidet.

Wer von beiden hat Recht?

Studien zeigen, dass der allgemeine Wortschatz von Kindern unter der Verwendung von Emojis selbst nicht leidet – vielmehr wird die Fähigkeit zum Umgang mit verschiedenen Sprachregistern trainiert. Die Sorge, allein die kleinen Piktogramme würden dem Nachwuchs intellektuell schaden, ist also unbegründet. Trotzdem kann die alleinige Beschäftigung mit sozialen Medien unter Ausschluss ‚klassischer‘ Literatur dazu führen, dass ein weniger breit gefächerter Wortschatz ausgebildet wird.

Wie können Emojis Kindern beim Lernen und Kommunizieren unterstützen?

Die aktuelle Auswahl an Emojis ist riesig – erst kürzlich wurden 157 neue Emojis für iOS und Android angekündigt – und stellt ganz alltägliche Situationen bis hin zu außergewöhnlicheren Erlebnissen dar. Nachdem das Oxford Dictionary 2015 das ‚Glückliche Gesicht mit Lachtränen‘ zum ‚Wort das Jahres‘ erklärt hatte, wurden Fragen laut, ob die bunten Unicode-Zeichen überhaupt einen eigenen Wert in unsere Sprache einbrächten – sie trügen das Potenzial in sich, missverstanden zu werden, da verschiedene Bilder verschieden interpretiert werden und sich bestimmte Konnotationen darüber hinaus im Laufe der Zeit verändern.

Hier kann es helfen, sich auf die Ursprünge geschriebener Sprache zu besinnen: Die Hieroglyphen als älteste Form beschränkten sich ausschließlich auf Symbole und halfen, Sachverhalte auch über größere Distanzen leicht verständlich zu vermitteln – genau das, was Emojis heute auch erreichen sollen.

Besonders hilfreich ist das bei der Kommunikation mit Kindern, die noch nicht alleine dazu in der Lage sind, zu lesen oder zu schreiben. Emojis erlauben es zum Beispiel in einem wissenschaftlichen Kontext, die Meinung oder Wahrnehmung von Kindern direkt zu erfassen, ohne dass die Eltern davor schriftlich vermitteln müssen und die Eingabe so womöglich unfreiwillig verfälschen. Einige Vorschulen in Australien setzen darüber hinaus auf Emojis, um Kindern das Ausdrücken von Emotionen und Gedankengängen zu erleichtern, die auf traditionellem Wege in diesem Alter vielleicht nur schwer in Worte zu fassen wären.

Auch in der Kinderpsychologie kann dieses Modell angewandt werden: Wenn ein junger Mensch Schwierigkeiten hat, eine traumatische Situation verbal auszudrücken, kann der Prozess durch den Einsatz von Emojis erleichtert werden. Die schwedische Non-Profit-Organisation Bris hat es sich beispielsweise zur Aufgabe gemacht, Piktogramme zu entwickeln, die jungen Missbrauchopfern dabei helfen können, ihre Erlebnisse mitzuteilen und so Unterstützung bei der Verarbeitung zu erhalten. Diese umfassen etwa ein Mädchen mit einem blauen Auge, einen Jungen mit verletzten Handgelenken oder Kinder, hinter denen stilisiert wütende Eltern mit alkoholischen Getränken dargestellt sind. Die Menschen hinter Bris weisen allerdings darauf hin, dass die Symbole in verschiedenen Kontexten fehlinterpretiert werden könnten und rät daher, sie nur bei der Kommunikation mit den geschulten Mitarbeitern der Organisation einzusetzen.

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